Es gibt Winkel dieser Gesellschaft, in denen die oft gedankenlose Unmenschlichkeit als System fortlebt. Es gibt den beißenden Kontrast des Geredes von der Humanität zu der Gleichgültigkeit gegenüber dem Leben. Vielleicht ist es doch diese Mischung von theoretischer Humanität undpraktischer Unmenschlichkeit, die Deutschland zuweilen so unerträglich macht. Ralf Dahrendorf: Gesellschaft und Demokratie in Deutschland. München: (Piper). 1965, S. 394. Ein Land der Ideen habe ich es genannt - andere nennen es Wissensgesellschaft: Nur mit ständig erneuertem Wissen, das wir schnell in Entwicklung und Produktion umsetzen, werden wir uns in der Welt der Globalisierung behaupten. Wir müssen um so viel besser sein, wie wir teurer sind. Wir brauchen Lehrer, die darauf brennen, ihren Schülern etwas beizubringen - und Schüler, die sich begeistern lassen. Wir brauchen Eltern, die ihre Kinder zur Wissbegierde erziehen und auch einmal verstehen, wenn nach dem Experimentieren der Teppich ein Loch hat. Wir brauchen Ausbilder, die Freude daran wecken, ein Handwerk wirklich zu beherrschen. So kommen solides Wissen und kritisches Denken, Neugier und Experimentierfreude in die Welt. Bundespräsident Horst Köhler in einer Rede 2006.
2012
Universität Gießen - Justus-Radio zur Situation von Lehrbeauftragten und Privatdozenten (November 2012, ca. ab 16:00)
"Die fünf Verbote. In der Wissenschaft Karriere zu machen, ist nicht einfach. Umso wichtiger ist es, ein paar Regeln zu beachten" von Tina Rohowski in: ZEIT Campus 04/2010.
"Die letzte Absage kam im April, mit einem Poststempel der Uni Mainz. Ein dünner Brief mit den üblichen Floskeln. »Sehr geehrter Herr Karimi, es tut uns leid, Ihnen mitteilen zu müssen...!« Besonders der letzte Satz klang in Karimis Ohren wie Hohn: »Für Ihre berufliche Zukunft wünschen wir Ihnen alles Gute.« Weiter: http://www.zeit.de/campus/2010/04/branchenprofil-wissenschaftler-regeln
2009
"Akademische Tagelöhner" von Thomas Röll am 29. Juni 2009 in der Wochenzeitschrift FOCUS,Seite 33 (Auszug): http://www.focus.de/panorama/boulevard/gesellschaft-akademische-tageloehner_aid_412323.html Kian-Harald Karimi versucht seit beinahe zehn Jahren eine Professur zuerhalten. Der Privatdozent, Sohn deutsch-iranischer Eltern, vertrittderzeit eine vakante Romanistikstelle an der Universität Heidelberg. Indrei Vorlesungen und zwei Seminaren unterrichtet er 240 Studenten. SeinVertrag läuft noch bis Ende des Semesters. Wie es dann weitergeht, weißder 54-Jährige nicht. Diese Unsicherheit gehört zu Karimis Leben, seiter sich im Jahr 2000 als Literaturwissenschaftler habilitiert hat. Er hatan sechs verschiedenen Universitäten unterrichtet, Computerkurse undNachhilfe gegeben und im Buchhandel gearbeitet. Als er einmal ein Jahrarbeitslos war, hielt er unentgeltlich acht Lehrveranstaltungen ab, umim Geschäft zu bleiben. 2007 wählten ihn die Studenten der Uni Potsdamzu ihrem „Profstar“ - zum beliebtesten Professor. Dass es trotz mehrals 80 Bewerbungen bis heute nicht zu einer Festanstellung gereichthat, erfüllt Karimi mit Bitterkeit: „Ich habe Angst davor, mich ineinigen Jahren fragen zu müssen, was hast du mit deinem Leben gemacht?“
Julia Koch Hartz IV statt C4: Der Ruf auf eine Professur gilt als die Krönung jederWissenschaftlerlaufbahn. Doch was, wenn er ausbleibt? Schlecht bis garnicht entlohnte Privatdozenten sichern an vielen Unis die Lehre. Wochenzeitschrift DER SPIEGEL 15/2007 vom 07.04.2007, Seite 160 http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=51132290&top=SPIEGEL
2006
"Profstar" 2006 an der Universität Potsdam
Wenn es einem auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten versagt ist,eine Tätigkeit auszuüben, die man seit der Gymnasialzeit angestrebthabt, fällt es oft schwer, seine Gefühle zurückhalten. Eben dieseGefühle begleiteten mich, als man mir mitteilte, dass ich von einemTeil der Studierenden zum "PROFSTAR" gewählt wurde. Allerdingsbestätigt sich die Erfahrung, dass Studierende oftmals genaue Kritikerihrer Dozenten sind, da sie unmittelbar von deren Arbeit betroffensind. Sie entwickeln ein Gespür für die wissenschaftliche unddidaktische Kompetenz ihrer Lehrer, da diese ebenso wichtig für ihrerfolgreiches Studium ist wie ihre eigenen Bemühungen. Bestätigt hatsich dies umso mehr, als ich es den Potsdamer Kommilitonen nicht geradeleicht gemacht habe. Oft musste ich zu größerer Konzentration mahnen.Immer wieder fiel mir auf, dass private Gespräche an der Tagesordnungwaren und man es mit der Anwesenheitspflicht ebenso wenig genau nahmwie mit pünktlichem Erscheinen. Wenn mir eine Reihe von Kommilitonendennoch Achtung und gar Sympathie entgegen bringen, dann müssen siewohl erkannt haben, dass auch ich sie in ihrem Studium ernst nehme.Womöglich ist es mir so gelungen, die schöne Erfahrungwissenschaftlichen Arbeitens in meinem Fach, der Romanistik, an sieweiterzugeben.
Wer sich berufen fühlt Tausende Privatdozenten warten auf eine Professur. Einer von ihnen ist der Romanist Amory Burchard „Entweder man ist Professor oder man ist nichts. DieAlternative ist Hartz IV.“ Professor – Hände zum Himmel, Hartz IV –Handflächen nach unten: Kian-Harald Karimi gestikuliert heftig, als erin seiner Berliner Wohnung über seine Zukunftsängste spricht. Den49-jährigen Romanisten, der aus einer deutsch-persischen Familiestammt, treibt die Gefahr um, dass seine über viele Jahre ehrgeizigverfolgte Hochschulkarriere scheitern könnte. Karimi hat sich vor fünfJahren habilitiert, bewarb sich seitdem um etliche Professuren, hatviermal vor einer Berufungskommission „vorgesungen“ – und landetebislang noch nie auf dem sicheren ersten Listenplatz. Karimierlebt ein typisch deutsches Akademikerschicksal: Mit ihm suchentausende Privatdozenten einen Job an der Universität. Ihre Situationsei so schlecht wie nie zuvor, sagt der Vorsitzende des PhilosophischenFakultätentages, Reinhold R. Grimm: „Gerade in den Geistes- undSozialwissenschaften, wo es keine Laborarbeitsplätze gibt, sindProfessuren nahezu die einzigen Stellen, auf die sich Privatdozentenbewerben können.“ Hinzu kommt die Zwölf-Jahres-Regelung fürwissenschaftliche Mitarbeiter: Bis 2002 konnten sich Wissenschaftlervon Stelle zu Stelle hangeln – in vielen Fällen bis zur Rente. Um demNachwuchs mehr Chancen zu geben, regelte BundesbildungsministerinEdelgard Bulmahn 2002 mit dem Hochschulrahmengesetz, dassWissenschaftler nach dem Ende der zwölfjährigen Qualifizierungsphase(bei Medizinern 15 Jahre) im Grundsatz nur noch einmal für zwei Jahrebefristet weiterbeschäftigt werden können. Das Urteil desBundesverfassungsgerichts vom Juni dieses Jahres erklärte die fünfteHRG-Novelle für nichtig – und damit auch die Befristung. Bulmahn hatjetzt allerdings einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, nach dem dieFristen weiter gelten sollen. Auf einen eigenenWissenschaftstarifvertrag, nach dem Mitarbeiter so lange bleibenkönnten, wie ihre Stelle mit Drittmitteln finanziert ist, konnten sichBund, Länder und Gewerkschaften bislang nicht einigen. Der BerlinerRomanist Karimi gehört zu der Generation von Nachwuchswissenschaftlern,die sich durch die Hochschulreformen „verschrottet“ fühlen. Dabei ist der Berliner Privatdozent in einer vergleichsweiseglücklichen Lage: Er hatte vor der Habilitation sechs Jahre lang eineAssistentenstelle an der Uni Leipzig, danach kamen ein Lehrauftrag unddie zweijährige Vertretung einer C-4-Professur in Leipzig. Seit demWintersemester 2002/03 vertritt Karimi eine Romanistik-Professur an derUniversität Bonn. Das weite Themenfeld, das sich Karimi in den Jahrenan den Universitäten in Bonn, Berlin und Leipzig erarbeitet hat,beschreiben seine beiden großen Bücher: Die Dissertation über dasportugiesische Gegenwartsdrama unter der politischen Zensur (1960 bis1974) und die Habilitationsschrift über das Bild Gottes in denErzählungen des spanischen Realismus im 19.Jahrhundert. Mehrsprachigund kulturwissenschaftlich orientiert – Eigenschaften, auf dieBerufungskommissionen Wert legen –, ist Karimi zweifellos. Aber dieZeit wird knapp. Das Höchstalter für Erstberufungen liegt bei 52Jahren. Viele Privatdozenten halten sich mit Brotjobs überWasser, nehmen unbezahlte Lehraufträge an, um ihre Lehrbefugnis zuerhalten – und leben zeitweise von Arbeitslosen- oder Sozialhilfe. Den294 Romanistik-Professuren (Stand 2001) stehen gut 50 Privatdozentenauf Stellensuche gegenüber, schätzt der Deutsche Romanistenverband. Der fast 50-jährige Nachwuchswissenschaftler Kian-Harald Karimi istkein Einzelfall. Die meisten Geisteswissenschaftler hätten „mit derHabilitation ihre Lebensmitte erreicht“, sagt der Konstanzer Philosophund Wissenschaftsmanager Jürgen Mittelstraß. Und damit stünden sehrviele Privatdozenten schon „am Ende eines beruflichen Weges, ohnediesen jemals wirklich beschritten zu haben“. Das durchschnittlicheHabilitationsalter in Deutschland liegt bei 42 Jahren, Karimi war 44als er habilitiert wurde. Bundesbildungsministerin Bulmahnhat daraus radikale Konsequenzen gezogen: Mit der fünften Novelle desHochschulrahmengesetzes (HRG) führte sie die Juniorprofessur ein undwollte die Habilitation bis 2010 faktisch abschaffen. Das ist ihr nichtgelungen: Das Bundesverfassungsgericht hat dem Bund verboten, denLändern die Juniorprofessur als alleinigen Qualifikationswegvorzuschreiben. Aber derzeit arbeiten Bund und Länder daran, dieNachwuchsstellen zu retten. Die Juniorprofessoren fürchtet derklassisch habilitierte Karimi nicht nur als Konkurrenten um einenLehrstuhl. Schon für die Einrichtung der Stellen wurden an zahlreichenUniversitäten C-2-Stellen für Oberassistenten und Akademische Rätegestrichen; Stellen, auf die sich der Romanist gerne bewerben würde:„Es ist ja klar, dass nicht jeder Professor werden kann, aber es mussdoch alternative Dauerstellen geben – auch im Interesse der Studenten.“Es sei ein großer Fehler der Universitäten, den Mittelbauzusammenzustreichen. Denn gerade die neuen Bachelor-Studiengänge seiendoch besonders betreuungsintensiv. Reinhold R. Grimm schlägt vor,Stellen für Universitätslektoren zu schaffen: Dozenturen auf Zeit, dieauch für Juniorprofessoren, die nicht gleich auf Dauerstellen berufenwerden, eine Zwischenstation schaffen. „Mir macht die Arbeitmit den Studenten wirklich Freude“, sagt Karimi. Zu unterrichten, zuforschen und zu publizieren, sei sein Leben, sagt Karimi. Der Romanistkann sich kaum vorstellen, etwas anderes zu machen. Dabei hat erwährend seiner Promotionszeit Buchhandelsvolontariate absolviert und inSprach- und Computerschulen gearbeitet. Er wollte „nicht in ein Lochfallen“, falls es mit der Unikarriere nicht klappt. Mit 38 Jahrenverteidigte Karimi seine Dissertation, bekam die Assistentenstelle inLeipzig – und setzte weiter auf die akademische Laufbahn. Ihm undtausenden anderen Privatdozenten nach dieser langen Ausbildungszeit,ihren Leistungen in Forschung und Lehre nicht die Chance auf eineZukunft an der Universität zu geben, hält der Wissenschaftler für eine„idiotische Ressourcenverschwendung“. Es könne doch dem Staat, der soviel in den wissenschaftlichen Nachwuchs investiert habe, nicht egalsein, was aus ihm werde. Dazu kommt: Immer mehr Professurenwerden angesichts der Sparzwänge an den Hochschulen gestrichen. Zwargibt es auch in der Romanistik bis 2006 eine Emeritierungswelle, aberder erhoffte Generationswechsel findet nur bedingt statt – viele freiwerdende Stellen werden nicht wiederbesetzt. Teilweise müssen ganzeInstitute schließen, wie jetzt in Hannover und Chemnitz; bedroht sindBielefeld und Aachen. Vielleicht gibt es einfach zu vielePrivatdozenten? Auf eine ausgeschriebene Romanistik-Professur bewerbensich bis zu 80 Habilitierte, sagt Reinhold R. Grimm, der selber dieRomanistik an der Uni Jena leitet. Mindestens die Hälfte von ihnen seiso gut, „dass man sie berufen könnte“. Karimi ist zweifellosein leidenschaftlicher Romanist. Das zeigt seine langePublikationsliste, aber auch seine Wohnung in Berlin-Mitte: RomanischeLiteratur in endlosen Regalreihen, stapelweise aktuelle Publikationenauf dem Schreibtisch. Karimi ist auch ein guter Redner. SeinHabilitationsthema, „Der Gottessignifikant in spanischen Erzähl- undDiskurswelten“, kann er so schlüssig erklären, dass sich der Verdacht,es könnte vielleicht ein wenig abseitig sein, sofort verflüchtigt. Undso hofft Karimi wie so viele Privatdozenten, eines nicht allzu fernenTages doch noch eine Berufungskommission von sich überzeugen zu können.